Einführung: J.S.Bach Markus-Passion mit Evangelienmusik Volker Bräutigam - 2005
Einführung zum Konzert am 13. März 2005
In dem von Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Friedrich Agricola verfassten Nekrolog auf den Tod Johann Sebastian Bachs wurden fünf Passionen erwähnt.
Während sich hiervon die Johannes- und die Matthäuspassion vollständig erhalten haben, liegt von einer dritten, der 1731 von Bach in der Leipziger Thomaskirche erstmals aufgeführten Markus-Passion lediglich der von Christian Friedrich Henrici (Picander) geschriebene Text vor, den dieser 1732 veröffentlicht hatte.
Es haben weder die Originalpartitur noch eine Abschrift der Markus-Passion die Zeiten überdauert, obwohl die Partitur noch 1764 dem Verlag Breitkopf, Leipzig, vorlag (Breitkopfs Verzeichnis von Neujahr 1764).
Den Bemühungen der Bachforscher ist es jedoch gelungen, einen Teil der Musik in anderen Kompositionen Johann Sebastian Bachs aufzuspüren. Es besteht auch Grund zu der Annahme, dass das Picander-Libretto selbst mit dem Ziel der Nutzung bereits vorhandenen musikalischen Materials entstand.
So gehen fünf Sätze auf die Trauerode - Kantate BWV 198 und zwei weitere Arien auf die Kantaten BWV 54 und BWV 120a zurück. Auch die in die Markus-Passion aufgenommenen Choralsätze konnten nach der von C.P.E. Bach (ohne die Texte) besorgten Ausgabe der Choralbearbeitungen seines Vaters wieder den überlieferten Choraltexten zugeordnet werden.
Die Rekonstruktion der Markus-Passion und ihre 1964 erfolgte Herausgabe verdanken wir Diethard Hellmann.
Die Trauerode-Kantate BWV 198 „Laß Fürstin, laß noch einen Strahl aus Salems Sterngewölben schießen“ entstand zu einem besonderen Anlass, dem Gedenken an die am 5. September 1727 verstorbene Kurfürstin Christiane Eberhardine. Sie wurde in Sachsen allseitig verehrt, weil sie den Übertritt ihres Gemahls (August der Starke) zum Katholizismus nicht mit vollzog, sondern ihrem evangelischen Bekenntnis treu blieb.
Das am 17. Oktober 1727 aufgeführte Werk beruht auf einem Text des berühmten Leipziger Gelehrten und späteren Universitätsprofessors Johann Christoph Gottsched. Die Trauerode ist von ergreifender Schönheit und geistiger Erhabenheit, wen wundert es, dass Bach einige Jahre später Teile daraus in seine Markus-Passion aufnahm?
Die zum einmaligen Gebrauch komponierte Musik blieb somit in einem neuen Zusammenhang erhalten. Diese mehrmalige Verwendung einer Komposition, die sogenannte Parodiepraxis, war durchaus zeittypisch.
Der von Bach vertonte Text des Markus-Evangeliums wurde bisher nicht aufgefunden. Er muss als unwiederbringlich verloren gelten.
Der Komponist Volker Bräutigam wagte 1981 einen Versuch, diesen Verlust durch eine Neukomposition des Markus-Evangeliums zu ersetzen. Dadurch wird die geschlossene Aufführung der Markus-Passion, welche sehr selten auf den Konzertprogrammen zu finden ist, wieder möglich.
Dies ist umso verdienstvoller, als das Bachsche Werk ersten Ranges eine interessante Bereicherung des recht schmalen Repertoires an Passionsmusiken darstellt.
Im Folgenden soll Volker Bräutigam zu seiner Evangelienmusik selbst zu Wort kommen.
Torolf Müller